Zu Gast im Friedenssaal von Turnhout

Realschule im Kreuzviertel radelt für SOS Kinderdorf durch Europa zu den olympischen Spielen von London

Strahlend stehen die Schülerinnen und Schüler der Realschule im Kreuzviertel um einen Kupferstich von 1648 herum. Das alte Dokument aus dem Archiv der Stadt Turnhout steht neben dem Rednerpult im Ratssaal und lädt zu Betrachten ein. BILD FRIEDENSSAAL Der Bürgermeister Luc Hermans hält seine Rede für die Jugendlichen auf Deutsch, er berichtet davon, welche Auswirkung der Westfälische Friede von Münster auf seine Heimatstadt hat. Diese ist seit dem nicht mehr niederländisch, sondern gehört zum Staatsgebiet Belgiens. Aber wie kommt die Schülergruppe aus Münster überhaupt in den Ratssaal von Turnhout?

Am Samstag, 14.07.2012, startete die ambitionierte Olympia AG der Realschule im Kreuzviertel unter den Augen des Bürgermeisters Holger Wigger und der NRW Wissenschaftsministerin Svenja Schulze am Friedenssaal in Münster in friedlicher Mission: Eine Sponsorentour für die Organisation SOS Kinderdorf e.V. von Münster nach London zu den Olympischen Spielen!

„Sport und Spaß und gleichzeitig noch etwas für die Kinder machen, die niemals Olympische Spiele live erleben können ist großartig!“, ist sich Teilnehmer Felix Haeusler sicher. Die Gruppe radelt freudig los! Nach vier Kilometern gab es den ersten Plattfuß… er sollte FÜR DEN Tag der letzte geblieben sein.

Der erste Tag war nass. Viermal völlig eingeregnet, aber die gesponserten Regenjacken halten das aus! Zwischen leicht befahrenen Landstraßen, matschigen Waldwegen und kurvenreichen Feldwegen fanden sich die 40 Friedensradler aus Münster auf ihrer ersten Etappe mit wechselnden Bedingungen konfrontiert. In Billerbeck lud das Eiscafé De Fanti auf ein Eis ein. Der Italienische Inhaber war von der einheitlich eingekleideten Gruppe begeistert und freute sich besonders über den Kopfschmuck von Teilnehmer Noel Franco, der stolz ein kleines Fahrrad in den italienischen Landesfarben auf dem Helm trägt! Am Ende der ersten Etappe warteten in Borken schon ein paar Eltern, die den Radlern einen Grillabend vorbereitet hatten! Geschlafen wurde in unterschiedlichen Bereichen der großen Turnhalle. Das ist „total geil!“, freute sich Teilnehmerin Elena Koch mit strahlenden Augen schon am Abend auf die zweite Etappe Richtung Kleve.

Die Strecke nach Kleve war landschaftlich ähnlich wie am Tag zuvor. Sie war mit 64 km kürzer, dafür mit deutlich mehr Gegenwind und hatte im Sinne der „Tour d’Olympic“ der Radler eine Bergankunft, die ordentlich ins Schwitzen brachte. Pannenfrei im Karl-Leisner-Jugendcenter, „Kalle“ genannt, angekommen, fühlten sich die Kinder sehr gut aufgehoben. Am späten Nachmittag folgte die Gruppe der Einladung der Stadt Kleve ins städtische Freibad. Zwei Stunden verlustierten sich die Kinder beim Wasserrutschencontest und beim Wasserspringen. Viele Schülerinnen und Schüler versuchten sich unter der sachkundigen Anleitung der begleitenden Sportstudenten und -lehrer im ersten Sprung vom 7,5 und 10 Meter-Turm. „Eine irre Herausforderung!“, sagt Erstspringerin Lena zur Mühlen sichtlich stolz und die Gruppe applaudiert. Überhaupt gibt es sehr viel Miteinander in der Gruppe, das gemeinsame Ziel – die Olympischen Spiele von London via Rad erreichen – verbindet sehr stark. Nach einer ruhigen Nacht besuchte der Bürgermeister von Kleve, Theodor Brauer die Gruppe zum Frühstück.

Er zeigte sich begeistert vom Engagement der Jugendlichen und versprach, zu ihrem Abschluss von der RiK nach Münster kommen zu wollen. „Und was er verspricht, das hält er!“, sagt die Kalle-Zentrum-Leiterin Petra Hähn.
Ab nach Veghel, hieß es auf der dritten Etappe, an der traditionell irgendwie am meisten schiefgeht! So war auch das Wetter in einer Schieflage. Nur Regen! Lehrer Michael Kersebaum ist sich sicher, dass er 27 Arten an Regen inzwischen unterscheiden kann… am Vornamen! Die Mädchen beginnen, gegen den Regen anzusingen und die Jungen stimmen zum großen Teil in den Choral mit ein. „Wir dampfen den Regen einfach mit unserer Power weg!“, sagt Realschullehrer und Organisator der „Friedenstour 2012“ Tobias Hoppmann und ergänzt, dass er stolz drauf ist, dass keines der Kinder über das Wetter gemosert hat. Diese verstehen die Widrigkeiten eher als Herausforderung! Und auch Wasser von unten, als die im Fahrradnavi eingezeichnete Karte eine Straße versprach, jedoch der Fluss Maas lediglich eine kleine Fähre bot, die zwei Tage später für zwei Wochen eingestellt werden sollte. Glück gehabt, sonst hätten wir 12 km Umweg fahren müssen!

Landschaft, Gerüche der Natur und Landwirtschaft und Architektur der Gebäude verändern sich zunehmend, in den Gärten finden sich statt der üblichen Haustiere oft Hirsche und Rehe. Die niederländischen Nachbarn waren durch ihre Bürgermeisterin Ina Adema über den Besuch der Friedensradler informiert, hatten die Barbecue-Dekoration vom letzten Samstag an ihren Häuserwänden hängengelassen und übergaben einen Briefumschlag mit 40 Euro für das SOS-Kinderdorf. „Wow! Das ist Europa und Friedensgedanke!“, freut sich Radler Lukas Schreiner! Den Abend verbrachten die Teilnehmer der Tour bei viel Sport und Spaß! Zur Stärkung vor der vierten Etappe nach Turnhout in Belgien lud die Bürgermeisterin zum Frühstück ins Gemeentehuis Veghels ein. Damit alle auch in wirklich „in Turnhout ankommen können“, gab es für jeden noch ein großes Lunchpaket!

Die Strecke nach Turnhout ist abwechslungsreich, genauso wie das Wetter! Es wird wieder laut gesungen. Nach drei Zwangspausen erreichen wir die niederländisch-belgische Grenze! Die Mädchengruppe um Lea Remke freut sich lauthals mitten im ländlichen Nichts über ihr drittes europäisches Land, das sie mit den Vorderreifen ihrer Räder erreichen. Die Einfahrt nach Turnhout ist beeindruckend, die Zeit scheint hier stehengeblieben zu sein, wie die alten Gebäude am Marktplatz zeigen. Aber ein moderner Brunnen, bei dem die Fontänen einfach aus dem Boden schießen, lädt die Friedensradler zum Durchradeln ein! An den spontanen „Wasserspielen vor Turnhout“ erfreuen sich nicht nur die erhitzten Gesichter der Radler, sondern auch zahlreiche Passanten auf dem Marktplatz. Vom Deutschlehrer Jurgen Peeters der Heilig Graf Schule, die ihren Ursprung schon um 1650 hat, wie ein Stadtbild im Raatsaal des Gemeentehuises zeigt, werden wir herzlich empfangen. Wir haben einen riesigen Teil der Schule zum Schlafen, Sport treiben und selbst Verpflegen zur Verfügung! Um 20 Uhr gehen wir zum Rathaus und werden vom Bürgermeister Luc Hermans empfangen! Wie sonst auch übergeben wir ein Geschenk vom Bürgermeister Lewe als Dankeschön für die Gastfreundschaft. Entlassen werden wir aus dem Rathaus von 4 m hohen Figuren. Diese stellen die Spielfiguren auf den Spielkarten dar, die einst in Turnhout unweit des Rathauses hergestellt wurden. Das zerfallene Fabrikgelände scheint das traurige Kapitel dieser schönen Innenstadt zu sein!
Bevor wir aus Turnhout entlassen werden, kommt Stadtsekretär Eric Adreansen und verkündet stolz, dass wir mit Polizeieskorte und unter Kamera-Beobachtung aus der Stadt begleitet werden. Einen Link dazu finden sie unter: www.rik-radelt-rueber.de.

Die 59 Kilometer nach Mechelen wären nicht so wild gewesen, hätte uns der stetige Westwind und die anhaltende Pannenserie nicht unnötig aufgehalten. Dennoch hatten wir Zeit, uns in der historischen Stadt umzuschauen. Ein Straßenzug wurde im zweiten Weltkrieg zerstört und so ist das historische Stadtbild erhalten geblieben. „Würden die Menschen die Kleidung des Mittelalters tragen, wären wir in der Zeit!“, ist sich Charlotte von Chamier sicher. Doch andere Kleidung ist auffällig! In der Stadt und auf der Aussichtsplattform der St.-Rombouts-Kathedrale erleben wir Olympia 2012 hautnah. Die Kinder treffen die niederländische Rudermannschaft, die auch auf dem Weg nach London ist, allerdings weder mit Boot noch mit Rad! Anhören muss sich ein Teil des niederländischen Männer8ters, dass die Deutschen Gold holen werden. Die Holländer halten selbstverständlich dagegen und Tobias Hoppmann hofft, dass „unser 8ter jetzt auch nachlegen kann!“
Am Morgen ist die Gruppe eingeladen im Raatsaal von Mechelen. Eindrucksvolle, bunte Glasfassaden erhellen den Raum und der überdimensionale, verblasste Wandteppich kommt so doch noch zu seiner Farbe. Ein Vertreter des Bürgermeisters und ehemaligen interimspremiers Bart Somers führt uns durch das historische Gebäude. Nicht nur im Trausaal bestaunen die Kinder die „atmende Geschichte“ des Gebäudes, wie sich Lis Hümmeler aus der Versorgungscrew der Friedensradler ausdrückt. Aufbruch nach Laarne, Gent wollte uns nicht!

Die sechste Etappe nach Laarne hatte es in sich. Viele luftbefreite Reifen bremsten die Gruppe auf ihrem beschwerlichen Weg. Nach75 Kilometern unter anhaltendem Gegenwind und wechselnden Regenarten waren die Friedensradler geplättet, wie viele Teilnehmer offen zugeben. Doch war ein wesentliches Ziel erreicht! Das Bergfest! Die Hälfte unserer Fahrraddistanz, 364 Kilometer, hatten wir im örtchen Dendermonde erreicht und bei einem großen Eis gefeiert. Wie ein Zeichen flatterte eine einzelne weiße Zuchttaube beim Ein- und Ausfahren des historischen Marktplatzes um die Gruppe herum, während die Sonne aus den Wolken kam. IST KEIN WITZ! Weitere Besonderheit: Schülerinnen trafen während eines kurzen, sturzartigen Regenfalls kurz vor der Abfahrt unter einem Regenschirm eine Münsteraner Geschäftsfrau, die sich sehr beeindruckt von der Münsteraner Schülerleistung zeigte!

Angekommen in Laarne war viel Ruhe angesagt und die Anstrengung des Tages wich erst langsam aus den Gesichtern der Friedensradler. Wie schon auf der gesamten Strecke waren die Menschen sehr zuvorkommend und wohlwollend! „Vielen Dank!“, begeistert sich Lara Strogalski. Den Morgen vor der Abfahrt nutzen die Studenten und Lehrkräfte für einen allgemeinen Fahrradcheck. Vor dem Nationalfeiertag der Belgier am21.07.2012 sollten in Folge der steigenden Pannenhäufigkeit provisorisch Ersatzteile besorgt werden. Erstaunlich ist besonders der Verschleiß der Bremsen auf dem Weg nach London!

Die siebte Strecke nach Brügge hatte es dann in sich. Streckenmäßig mit 59 Kilometern gut machbar, aber versehen mit Unwägbarkeiten. Beim Zwischenstopp im historischen Stadtkern von Gent scheint die Sonne. Die Stadt erstrahlt historisch im Sonnenlicht. Die alten Gemäuer wirken aufgrund der riesigen Fahnen und Wappen in Bezug auf den Nationalfeiertag wie aus einer anderen Zeit und die moderne Straßenbahn stört diesen Anblick! Kaum verlässt die Gruppe den Stadtkern von Gent, wird sie von der Realität platter Reifen und Himmlischen Wassermassen eingeholt … und alle Fahrradläden der Stadt waren geschlossen … bis auf einer, den das Tourizentrum dankeswerterweise herausgefunden hat. Nach langem Warten entschied sich die Gruppe, sich aufzuteilen. Fahr- und Reparaturgruppe. Die letztere kämpfte erst mit den Rädern, dann mit dem Wetter und danach mit der Zeit. In knapp 2 stunden fuhren die 8 Radler mit Hochgeschwindigkeit von Gent nach Brügge und testeten dabei das energiesparende System des „Belgischen Kreisels“ aus. Tim Horstmann war begeistert und würde so gerne jeden Tag weiterfahren! Nur die zahlreichen Bunker aus der Zeit des zweiten Weltkrieges, die entlang der Radstrecke zu sehen waren, trüben das idyllische Bild, auch wenn der Bewuchs die alten Betonwände langsam zurückerobert.

In Brügge empfängt das Jan-Breydel-Stadion die Gruppe mit einer Überraschung! Nicht nur, dass die 40 Friedensradler im Stadion nächtigen dürfen und in einer VIP-Lounge des Club Brugge KV ihren Gruppenraum haben, sondern auch ,dass sie zum abendlichen Spiel mit internationalem Charakter eingeladen werden. Brügge gegen den spanischen Erstligisten Getafe C.F. Die Schülerinnen und Schüler der RiK haben lauthals alles für die Blau-Schwarzen aus Brügge gegeben und ein torreiches Spiel gesehen. Mit 5:1 ging jedoch Getafe vom Platz und die Gruppe danach zeitnah ins Bett. Der Tag hatte im wahrsten Sinne des Wortes „ge“Schlauch“t.

Der 8te Tag der Friedensradler wird zu einem Logistikunternehmen. Das Waschen der Funktionswäsche, die notwendigen Reparaturen der Räder und viele andere Aufgaben müssen aufgeteilt und organisiert werden. Alle Schüler packen mit an, damit es schnell geht, und dann wartet die Stadt Brügge mit einem freien Tag und vielen Attraktionen zum Belgischen Nationalfeiertag am 2107.2012. Doch Hannah Hümmeler grinst und ist sich sicher, dass das Stadtfest für die Friedensradler veranstaltet wird! Gegen Mittag radelt die Gruppe in Richtung Innenstadt. Schnell wird noch das Geschenk des Bürgermeisters von Münster verstaut, das als Dank an für das tolle Engagement der Stadt und der Vereins abgegeben werden soll!



Bergfest-klein_www

halbe_Strecke_London-klein_www

Hingsen_des_Tages-klein_www

Maas-Fähre_NL - klein_www

Pause-klein_www

ruhiger_Moment-klein_www

Stadion_Brügge-klein_www

blog comments powered by Disqus